Von Basel nach Blois

Eine Reise im Zeichen von Corona – Auf der Euro 6

Das Zeichen für die EuroVelo 6 Route
Das Zeichen für die EuroVelo 6 Route

Es ist Freitag, der 14. August 2020. Es ist schönes Wetter. Ich bin in Leval am Lac de la Seigneurie, unweit von Mulhouse in den Südvogesen. Es sind Ferien in Frankreich. Normalerweise sind die Campingplätze ausgebucht, so auch auf diesem wunderschönen, relativ großen Platz am See. Aber er ist leer. Ein paar Wohnwägen, zwei Zelte. „Wissen Sie, das ist eine Katastrophe für uns“, sagte mir der Campingbesitzer, „und das, obwohl viele anderen Campingplätze um uns sowieso geschlossen sind“.

Leere Campingplätze in Frankreich
Leere Campingplätze in Frankreich

Das ist die Stimmung im Corona-August 2020. Ich höre davon, dass zwar viele Menschen Urlaub am Meer machen, aber im Landesinneren ist es leer. Man macht nur den nötigsten Urlaub, wie mir scheint. Warum auch nicht? Alle Festivitäten, die sonst in diesem Monat stattfinden, sind abgesagt. Die so beliebten Sonntagstänze auf den Plätzen der Dörfer finden nicht statt, Festivals sind abgesagt. Jahrmärkte. Musikevents – ja sogar Museen sind zum Teil geschlossen. Die Innenstädte weitgehend verwaist. Touristenzentren in Besançon, Dole, Belfort oder Monbeliard, überall lehnen sich die Kellner gelangweilt an die Türrahmen ihrer Cafés, da die Kundschaft fehlt.

Der Doubs Durchbruch bei Thoraise
Der Doubs Durchbruch bei Thoraise – verhängt mit einem Wasserfall auf beiden Seiten

Ich befinde mich auf meiner diesjährigen Radltour, der EuroVelo 6 entlang Richtung Nantes, von München aus. Nachträglich weiß ich, warum alle Empfehlungen die Richtung umdrehen, – von Nantes Richtung Wien. Es ist ein permanenter Westwind, mal nur 13 km/h, mal aber auch 30 km/h mit Böen bis zu 60 km/h, der gegen meine Muskelkraft ankämpft und verhindern will, dass man eine geruhsame, launige Fahrt unternehmen kann. Zunächst geht es noch durch das Jura mit einem wunderschönen Weg entlang der Doubs und später der Saône. Links und rechts ragen steile Felshänge in den Himmel und eröffnen einen sagenhaften Blick. Das geht so bis Châlon-sur-Saône. Dann aber werden die Wege zunehmend auf den Deichen angeboten, die leider keinen Windschutz bieten.

Der Doubs entlang durch das französische Jura
Der Doubs entlang durch das französische Jura

Aber dieses Frankreich ist ein anderes, als ich es kennengelernt habe. Auf der Straße muss man in manchen Städten mit Maske laufen, auch das Fahrradfahren ist in diesen Städten nur mit Maske erlaubt. Auf der Route fühlt man sich fast schon einsam. Immer mehr Gaststätten, Lebensmittelläden, sogar Campingplätze sind geschlossen oder haben schon ganz aufgegeben. Ich bin oft 30 km geradelt, ohne die Möglichkeit zu bekommen, mir eine Flasche Wasser zu kaufen.

Es herrscht eine merkwürdige Stimmung. Obwohl August, begegnen mir trotz der wichtigsten Radstrecke in Frankreich relativ wenige Radfahrer. Wo immer ich einkehre, als Ausländer wird man etwas argwöhnisch bis erstaunt angeschaut: Da traut sich einer trotz Corona, solch eine Tour zu machen. Immerhin, man kommt dann doch ins Gespräch, ich kann mein Französisch verbessern, andere Sprachen sind in diesem Jahr kaum zu hören.

Dennoch verhindern Masken oft, dass man sich verständlich machen kann. Als nicht nativ-sprechender Besucher bin ich darauf angewiesen, langsames und deutlich gesprochenes Französisch zu hören und ein ebensolches zu sprechen. Masken verhindern das. Das Ergebnis ist ein Genuschel, ein musikalisches Einerlei, das oft mit Sprache nichts mehr zu tun hat. Masken schleifen die Konsonanten, verstecken die Mimik, die Begriffe unterstreichen. Weil das nicht nur mein Empfinden ist, wird in Frankreich gefühlt viel weniger Masken getragen, als eigentlich vorgegeben. Vielleicht ist das auch eine Folge davon, mit welcher Rigorosität der Lockdowns (confinement) durchgeführt wurde, inklusive einer vierwöchigen Ausgangssperre.

Überfüllung am Bodensee

Auch in Deutschland sind die Campingplätze nicht so voll wie gewohnt. Eine Reservierung ist in der Regel nicht notwendig. Das gilt aber nicht für die Seen und das Meer. Dort drängen sich mehr Menschen als gewohnt. Die meisten von ihnen wollen das Land nicht verlassen und dennoch Urlaub machen. Verständlich.

Als ich von Memmingen nach Lindau radle, sehe ich von weitem die Überfüllung des Campingplatzes. Ich weiche nach Bregenz aus und werde dort mit den Worten empfangen: „Es ist so voll hier, dass ich Dir empfehle, weiterzufahren, solltest Du Angst vor Corona haben.“ Überall rund um den See drängen sich die Menschen wie ich an den nächsten Tagen erfahren werde. Die Badestellen sind so dicht belegt, dass es schwer ist, einen 2 Meter-streifen um sich herum frei zu halten.

Spätestens aber oben auf dem Pfänder in Bregenz entschädigt die wunderbare Aussicht über den Bodensee den übervollen Massentourismus. Wäre da nicht die Seilbahnfahrt dort hinauf, mit Maske und den dicht gedrängten Menschen in der Kabine, etwas beängstigend…

Ein Klavierspieler in Bregenz
Ein Klavierspieler in Bregenz

Wie so vieles in diesem Jahr ist auch meine diesjährige Radltour ein sehr andersartiges Erlebnis, eines, welches ich nicht so schnell vergessen werde.

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